Gut bürgerliches Hotel in Bad Saarow.
Die Wild(e)Jagd
Die Saison hat längst begonnen Reh, Hirsch, Hase und Wildschwein mutieren zu Köstlichkeiten auf dem Teller, wie zum Beispiel Hasenspieß mit Nusspolenta oder Wildkräutersalat mit pochiertem Ei und Wildschweinschinken……
Doch Wild kann auch einfacher, rustikaler daherkommen, als würziger Gulasch oder kurzgebratene Delikatesse beispielsweise. Dazu die Pilze aus den heimischen Wäldern, ein kräftiger Rotwein dazu und schon steht das Sehnsuchtsgericht auf dem Tisch.
Fest steht, dass heimisches Wild »Bio« ist. Wem die Verhältnisse in der Fleischindustrie zuwider sind, der ist hier auf der richtigen Seite: Unsere heimischen Wildtiere haben ein Leben lang in der Natur der märkischen Wälder und Wiesen gelebt, keine Medikamente oder Hormone geschluckt und dazu besitzt Wildfleisch auch noch einen ähnlich hohen Anteil an den gesunden Omega-3-Fettsäuren, wie der Lachs. Und gerade jetzt im Herbst und im frühen Winter ist das Wildbret, auf Grund des hohen Anteil dieser Fette, besonders zart.
Kein Wunder also, dass in der vergangenen Jagdsaison 28.000 Tonnen Wildbret in Deutschland verspeist wurden.
Wie wild genießen ?
Oftmals habe ich es ja, gerade auch im Oderbruch, erlebt, dass das Wildfleisch eingekauft und dann durch die Küche misshandelt oder gar hingerichtet, auf dem Teller des Gastes landete. Und das Grauen nimmt auch kein Ende, wenn oftmals Wild aus den Zuchtanstalten des Auslandes, im Großhandel gekauft wird, anstatt sich als Restaurant, eines »Haus-und Hofjägers« zu bemächtigen, der den echten Wildgenuss »für`s Haus« stressfrei schießt.
Wir sind heute wieder in Bad Saarow, jener Oase in unserer heimischen lukullischen Wüstengegend, in dem sich für mich die Restaurants mit einer erwähnenswerten Küche nur so aneinander reihen.
Das »Hotel Am Werl« soll es heute sein, dass ich mit Bernhard unserem Redakteur und Fotografen aufsuche um für Sie liebe Leser, auf der Pirsch nach dem Wild auf dem Teller fündig wurde.
Es sind derzeit nur 3 Wildgerichte auf der Karte, die ansonsten eine Gutbürgerliche Küche, aufgelockert durch Gerichte der Hausmannskost verspricht. Keine Experimente oder Neuinterpretationen sondern »Classic-Cousine« wie man sie in Brandenburg kennt.
Aber dennoch ein Unterschied!
Meister des Geschmacks und trockene Erkenntnisse
Um es vorwegzunehmen: Während man in einigen Restaurants lieber kondolieren möchte, ist es im »Hotel Am Werl«, wie in Bad Saarow zu erwarten, wie die Geburt einer neuen Erkenntnis: Klassische Gerichte, die schmecken. Denn Koch Nick Joppe hat verstanden, dass es Gesetzmäßigkeiten in der Küche gibt, denen man sich nicht verweigert.
Ich wähle natürlich als Hauptgang ein Wildgericht: Märkischer Wildschweinbraten
traditionell aus der Wildbeize, in Burgundersauce und einem Calvadosapfel auf Preiselbeersahne, dazu hausgemachter Apfelrotkohl und Klöße »Thüringer Art«.
Zuvor eine Rinderkraftbrühe und als Dessert soll es das Parfait von der weißen Schokolade mit heißen Schattenmorellen und Schlagsahne sein.
Bernhard will ein Wildragout verspeisen und gemeinsam wählen wir einen trockenen Spanier, einen mit der Tempranillo-Traube, der uns für unser Wild schön kräftig erscheint.
Während die Küchencrew alle Hände voll zu tun hat, um die lukullischen Begehrlichkeiten der Gäste im gut gefüllten Hotelrestaurant zu erfüllen, diskutieren Bernhard und ich über die Weinkarte und den Alltag in heimischen Lokalitäten:
Oftmals gefragt und immer wieder missverstanden ist zum Beispiel die Frage:
«Darf`s schon mal was zu trinken sein?« Oder bei der Weinberatung: »Soll er trocken sein«? Ich sage dazu, dass das Essen auf dem Tisch entscheidet was man trinkt oder nicht.
Beim Wein ist es die Balance zwischen Süße und Säure entscheidend für unsere Beurteilung eines Weines. Säure puffert Süße ab, betont ihren Charme und gerade das macht zum Beispiel unsere eleganten Rieslinge so begehrt. Süße braucht Säure und umgekehrt!
Zum kräftigen Wild schmeckt mir ein kräftiger Roter am besten, am liebsten ein Rioja, ein Spanier und trocken. In der asiatischen Küche gibt zum Beispiel es nichts besseres, als einen restsüßen Wein, der die Schärfe umgarnt und so geschmackvoll auf uns wirkt.
Es gibt also weder gegen Süßen noch trockenen Wein etwas zu sagen. Vergessen Sie einfach diese Fragen und vertrauen Sie Ihrem Geschmack.
Ich handele und genieße die hervorragende Kraftbrühe, voller natürlichem Geschmack, ohne künstliche Geschmacksverstärker und ich freue mich so voll angeregtem Appetit schon auf den Hauptgang: Mein märkisches Wildschwein! Das war ein Volltreffer.
Der Wildschweinbraten war, wie man so sagt, auf den Punkt zubereitet und erfüllte alle guten Erwartungen. Zart gegart zerschmolz das Fleisch auf der Zunge und es hatte dennoch Biss und auch die Klöße »Thüringer Art« waren für Fertigklöße von guter Konsistenz.
Natürlich ist ein echter Thüringer Kloß, gerade für mich, der ich in Thüringen aufgewachsen bin, immer vorzuziehen. Aber da die Klöße aus einer Thüringer Fertigkloßmasse waren, kann man das etwas vernachlässigen, denn diese Produkte habe ich seit langem mit einer guten Qualität kennengelernt.
Das Dessert war wie ich es mir wünsche: Nur ein kleines süßes Schmankerl und kein großer Gang. Die heißen Schattenmorellen passten gut zum Parfait, hätten aber für mich einen kleinen Hauch von Nelke oder einen Schuss Rum gut vertragen um dem Dessert einen »Akzent« zu geben.
Fazit
Das 90`er Jahre Ambiente hätte durchaus ein Update verdient.
Keine spektakulären Küchenexperimente. Vielleicht auch auf der Karte etwas wenig saisonal ausgerichtet. Aber die klassische Bürgerliche Küche im »Hotel Am Werl« kommt durch ein sehr gutes Handwerk auf den Tisch des Gastes und sie steht in einem Zeichen von lokaler Bodenständigkeit und in einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Denn die Qualität der angebotenen Produkte war sehr gut und mein Wildschweinbraten mit 16,50 € diese absolut wert.
Und das Wichtigste, das kann ich Ihnen versichern: Es hat mir sehr gut geschmeckt!
Michael Dittrich (November 14)