»Imma hoaltens uns füa die Deppen? aber zum Oktoberfest kommens alle aufd Wiesen zu uns!« So gesprochen von Bayerns Kabarettist Nr.2 (hinter Karl Valentin), Gerhard Polt, in den 70`er Jahren.
Heute ist das alles anders. Ob in München oder in Berlin, Golzow oder Wiesenau ? »Wiesn« ist überall und für die Wirte und Caterer inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Geschäftsjahr.
Während in München, bei der Vor-abparty im Augustinerkeller sogar die Vierbeiner (Zamperl) feiern dürfen, (mit trachtigem Dresscode versteht sich), sind es bei uns in »Preissen« zum Glück nur die Zweibeiner, die in zünftigem Outfit, die Maß zum Besäufnis stemmen. Auch hält sich die Anzahl der betrunkenen Australier und Neuseeländer in Golzow oder Wiesenau in Grenzen
Und weil es so schön ist wird schon mal eine Woche vor dem offiziellen »O`zapft iss« losgelegt.
So auch in Wiesenau, dem meiner Meinung nach (schon vor der ersten Maß) einzigen authentischen Oktoberfest in unserer Gegend.
Zwar kann die Münchener Schickeria nicht aufgeboten werden aber ein Bayerisches ? Münchener Original ist schon mal der Wirt Harald Ehrhard vom Restaurant »Bayernstub`n« in Wiesenau.
»Parken bitte im Zelt« steht in der Einfahrt zum Lokal. Wow, denke ich Service der besonderen Art und im gleichen Moment ist mir klar es ist ein Bierzelt. Schon sind Plakate zu sehen »Oktoberfest«
Mit einer Trachten-Band aus Schladming in Österreich. Termin 18. und 19.September 2009. Wir sind aber Donnerstag da und weil das Festzelt auf dem Parkplatz steht dürfen wir heute d`rinnen parken.
Im Lokal selbst weniger »Bayern« als erwartet. Keine Blau-Weißen Fahnen, Kein König Ludwig, kein Wildschütz Jennerwein. Nichts außer dem Bierzelt mit der »Löwenbräu«- Aufschrift und dem dekolltiven Dirndl auf der Fassade der »Bayernstub`n.
Anja, die den Service schnell und kompetent im Griff hat bringt uns die Karte.
Aber » Jo mei!« Kein Schweinsbraten mit Knödeln, keine Hax`n auf der Karte.
» Bayerische Spezialitäten haben wir immer Mittwochs ab 18.00«. Bedie nung dann im Bayerischen G`wand. Wir waren Donnerstag da. Pech oder?
Nicht ganz, denn ich kann die Leberknödelsuppe (2,60 ?) testen, die 4 bayerischen Weißwürste (5,20?) und Bernhard die Käsespätzle (6,30 ?).
Auf meine Frage warum es nur Mittwochs die spezielle Bayerische Küche gibt anwortet Wirt Erhard: in bestem Bayerisch: »Weil es sich nicht lohnt.« (kann ich fast nicht glauben, wenn ich mir Anja im Dirndl vorstelle)?. »Die Leute wollen immer nur Schnitzel essen.« Andere Länder andere Sitten. Klar ist: Auch in Bayern werden Schnitzel gegessen. Aber so geschmacklos wie wir in Preußen, nach dem Motto Hauptsache Kartoffeln mit Schnitzel, Ei drauf und davon Viel, ist es selten irgendwo auf der Welt zu beobachten. Einen Schweinsbraten mit Semmelknödeln, den lässt sich ein Bayer nicht entgehen und die Bayerischen Schnitzel in München schienen mir auch feiner und dünner als die Hamburger-Schnitzel in Preußen, wo sie oftmals durch die Friteuse gezogen, ölgetränkt auf dem Teller landen.
Nun sind wir aber dennoch sozusagen in Bayern, in einer »ständigen Vertretung« und ich bin gespannt auf meine Leberknödelsuppe.
Der Wirt hatte uns erzählt dass er seinen Leberkäse beim lokalen Fleischer nach original bayerischem Rezept fertigen lässt. Das macht Appetit und ich gehe so hastig an die Tassen-Terrine mit den beiden großen Leberknödeln, dass ich mir prompt den Mund verbrenne.
Tadellose Knödel und Bouillon mit etwas Wurstsuppengeschmack, schmeckte so wie ich es aus Österreich und Bayern kannte und ich habe nicht nur getestet, ich habe die ganze Suppe aufgegessen!
Etwas kritisch waren die Weißwürste. Konsistenz und Geschmack waren Ok aber es war eben nicht »die« bayerische Weißwurst, die in Bayern z.B. am Donnerstag hergestellt wird und die der Bayer auch nur am Herstellungstag frisch isst.
4 Würste, 4 halbe Stullen und ein derartiger massemäßiger Hammer von einer Salatbeilage, alles auf einen Teller gezwängt, verrieten mir dass der Koch nur ein Preuße sein kann.
Denn meine Weißwurst, die würde ich mir, wie in Bayern üblich, in der Terrine (damit man sie einzeln essen kann ohne dass sie kalt werden) auf den Tisch wünschen. Dazu eine » Salzbrezn«
und natürlich den süßen Senf, den es auch in Wiesenau gab. Diese ewige Auffüllerei mit der Salatbeilage nervt mich seit Ostzeiten und sie lenkt von der Unzulänglichkeit des Gerichtes ab und ist sowieso nicht zu schaffen. Weniger wäre hier wirklich mehr.
Berhards Kräuterspätzle waren top und es war auch viel, also kein Grund für hungrige Preußen hier auf ein Schnitzel zurückzugreifen.
Fazit
So ist das Leben: Suppe »zu heiß«, Würste »zu kalt«. Man kann eben nicht alles haben.
Aber im Ernst: Die »Bayernstub`n« suche ich auf alle Fälle an einem Mittwoch privat auf, wenn es typische bayerische Küche gibt. Und die Frage warum unsere Landsleute zwischen Schwedt und Eisenhüttenstadt lieber Schnitzel als Schweinhax`n essen, die kann ich Ihnen auch nicht beantworten. Wie sagte Gerhard Polt: »A Frage, muaß ma ausm Weg gehn.«
In diesem Sinne Oans, zwoa?.
Michael Dittrich (Oktober 2009)